Stavkirke – Skandinavische „Sakralbauten“

Wer meinen Blog ab und an liest ist vermutlich schon über das Wort „Stavkirke“ gestolpert. Was heisst das eigentlich? – naja, so schwer ist es nicht: Stabkirche (manchmal auch „Mastenkirche“) 

Heddal Stavkirke: die grøsste und eine der schønsten!

Heddal Stavkirke: die größte und eine der schönsten!

Gemeint ist damit eine Kirchenkonstruktion überwiegend aus Holz, wie sie v.a. in Skandinavien während der übergangszeit von heidnischen Religionen zum Christentum im 12. und 13. Jh. gebaut wurden. Wichtigstes Merkmal ist der so genannte Stabbau, bei dem die Wände aus senkrecht stehenden Stäben gebildet werden. Das Wort Stabkirche stammt vom norwegischen Wort stav, welches auf deutsch Stab bedeutet.

In diesem Artikel möchte ich euch die Stabkirchen (mit freundlicher Unterstützung von Wikipedia 😉  ) gerne etwas näher bringen:

Zur Reformationszeit gab es etwa 750 – 1000 Stabkirchen in Norwegen, von denen heute nur 28 im ursprünglichen Zustand erhalten sind. Feuer und Witterung haben viele der interessanten Bauten zerstört, in Schweden wurden viele während der Pestepedimien verbrannt.

Alle noch vorhandenen Stabkirchen in Norwegen

Alle noch vorhandenen Stabkirchen in Norwegen

Ich habe zum ersten Mal 1999 bei meinem ersten Norwegen Urlaub (oder 1998 bei einem Osloausflug) einige besichtigen können. Sollte es 1998 gewesen sein – das weiss meine Mutter vermutlich besser 🙂 – dann war es auf der Museumsinsel Bygdøy im Norwegischen Volks- und Freilichtmuseum die originalgetreu ab- und dort wieder aufgebaute Stabkirche aus Gol.

Ich meine mich aber daran zu erinnern, dass es erst 1999 war als ich mit meinen Eltern in Kaupanger am Sogne-Fjord in Westnorwegen meinen Urlaub verbracht habe. Dabei haben wir auf jeden Fall die Stabkirchen in Borgund, Urnes und Kaupanger besucht und evtl. auch in Hopperstad und Undredal (bei den beiden bin ich mir nicht sicher).

Stabkirchen sind allein wegen ihrer Einzigartigkeit und Bauweise einen Besuch wert. Hier der Grundriss des Borgund-Types am Beispiel der Stabkirche Gol:

Stabkirchenfamilien

Grundriss einer einfachen Stabkirche (Typ A)

Die Kirchen wurden entweder als Einmast- oder Mehrmastkirchen gebaut. Die einfachste Form ist wohl auch die älteste und hat einen einzelnen Mast in der Mitte des Schiffes, in dem sich die Kirchgemeinde während des Gottesdienstes versammelt. Ein kleinerer Chor für die Geistlichkeit und die Sänger wurde angebaut. Solche einfachen Formen haben die Kirchen von Nore und Uvdal.

Familie vom Typ A

Stabkirchen vom Typ A sind einschiffig und haben Stäbe nur an den Ecken der Außenwände; mitunter gibt es auch freistehende Mittelstäbe. Diese Kirchen haben ein einfaches Satteldach. Die einschiffigen Kirchen ohne Mittelstab werden dem Haltdalentyp und solche mit Mittelstab dem Numedaltyp zugeordnet.

  • Haltdalentyp: Sind relativ kleine Kirchen mit einer fast quadratischen einfachen Grundform ohne freistehende Stäbe im Raum. Der Chor ist meistens nicht so breit wie das Schiff. Die am besten erhaltene Kirche mit dieser Bauform ist die Stabkirche Haltdalen, die 1170 errichtet wurde. Die Stabkirche Reinli in Valdres, vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert ist aus dem Haltdalentyp hervorgegangen.
  • Numedaltyp: Diese Stabkirchen haben einen Stab in der Mitte des Raumes, daher nennt man sie auch Einmaststabkirchen oder Mittelmastkirchen. Ursprünglich wurde der Mittelstab in einem Grundstock gefasst und durch horizontale Verbindungsbalken mit den Masten der Wände verbunden. Der Mittelmast diente wahrscheinlich nicht nur der Stabilisierung der Kirche, sondern auch als Stütze für einen Dachreiter mit Glocken. Es gibt insgesamt noch drei erhaltene Stabkirchen des Numedaltypus, zwei davon stehen in der Region Numedal. Zu diesem Bautypus gehören in Numedal die Kirchen Stabkirche Nore und Uvdal.
  • Møretyp: Charakteristisch für diese Kirchen ist die Verwendung von Mittelstäben in den Längswänden. Es gibt genau drei noch erhaltene Kirchen dieses Typus, die alle in der Gegend Møre og Romsdal stehen: Kvernes, Røvden und Grip. Davon sind zwei Hallenkirchen und eine Langkirche.

Familie vom Typ B

Stabkirchen vom Typ B haben eine komplexere Struktur mit einem das Hauptschiff umgebenden Umgang, der wiederum von einem Svalgang umgeben ist. Die Mittelstäbe ruhen auf einem rechteckigen Rahmen. Die Stäbe sind im unteren Teil freistehend, der obere Teil bildet das Gerüst für den Wandaufbau.

Diese Stabkirchen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:

Kaupanger Stavkirke

Kaupanger Stavkirke

 

  • Kaupangertyp: Bei diesen Stabkirchen bilden die Säulen Arkaden aus. Häufig haben die Säulen ein Kapitell, welches den Steinbau nachahmt. Stabkirchen des Kaupangertyps sind Kaupanger, Urnes, Hopperstad und Lom. Die Kirchen von Hopperstad und Lom haben nachträglich Andreaskreuze eingebaut und ähneln so heute dem Borgundtyp.
  • Borgundtyp: Kirchen des Borgundtyps haben Andreaskreuzverbindungen zwischen den Säulen und der Aufbau ähnelt einem Triforium. Kirchen des Borgundtyps sind Borgund, Fantoft, Gol, Hegge, Høre (Hurum), Lomen, Ringebu und Øye.

    Borgund Stavkirke

    Borgund Stavkirke

Die Stabkirche Torpo ist ein Bauwerk, welches in beide Gruppen gehört.

Sehr interessant an den Stabkirchen ist, dass in den meisten Heidnische Elemente eingebaut wurden. Dies wurde von den Kirchenoberen toleriert um die Bevölkerung auch dauerhaft an das Christentum zu binden.

Drache an der Kirche Hopperstad

Da die Stabkirchen in den zweihundert Jahren nach der Übergangszeit vom Heidentum zum Christentum gebaut wurden, finden sich an ihr viele heidnische Elemente, zum Beispiel Abwehrzauber. Ebenso kommen in den Schnitzereien immer wieder Gottheiten, Personen und Gegenstände aus den mythologischen Erzählungen der nordischen Religion vor.

Abwehrzauber

Das Nordportal der Stabkirche Urnes
Nordportal an der Urnes Stavkirke

Nordportal an der Urnes Stavkirke

Detail Urnes Stavkirke

Detail Urnes Stavkirke

Die Giebeldächer tragen an Schlüsselstellen auffällige apotropäische Elemente. Auffällig ist z. B. die häufige Wiederholung des Kreuzes und die Abbildungen von Drachen und stilisierte Drachenköpfe. Die Kreuze sollten wahrscheinlich weniger ein Postulat für die neue Religion, sondern mehr eine wirkungsvolle Abwehr von Naturgeistern darstellen.

Die stilisierten Drachenköpfe erinnern an die Wikingerschiffe und wurden meistens in Ost-West-Richtung (der Bewegung der Sonne) angebracht. Der Drache galt als Dämon, der nur durch sein eigenes Bild gebändigt werden konnte. Die stilisierten Drachenköpfe haben also dieselbe Funktion wie die Fratzen der Wasserspeier an vielen europäischen Steinkirchen. Bei den Wikingerschiffen war das Anbringen von Drachenköpfen ebenso eine magische Handlung, die das Schiff in ein ebengleiches starkes Ungeheuer verwandelten, um gegen Feinde gewappnet zu sein.

Die Schnitzereien an den Portalen und Masten hatten ebenso eine apotropäische Funktion. Ein Beispiel ist das Nordportal an der Kirche Urnes, welche einmal vermutlich das Hauptportal war. Das Portal wurde mit der Axt gekürzt und an der Nordseite angebracht, wo sich kein Eingang befindet. Dass dieses Portal wiederverwendet wurde, hatte weniger den Grund, dass man Respekt vor der handwerklichen Arbeit der Schnitzer hatte, sondern weil man die schützende Funktion der Schnitzereien wiederverwenden wollte. Die Nordseite der Kirchen war nach altem Glauben den Geistern der Nacht besonders ausgesetzt und musste deshalb speziell geschützt werden. Das ist auch der Grund dafür, dass auf der Nordseite häufig Eingänge und Fenster fehlen.

In vielen Kirchen finden sich beim Eingang ins Innere sogenannte Geisterschwellen. Das ist eine hohe Stufe, die Naturgeister vor dem Eindringen in die Kirche abhalten soll. Aus demselben Grund wurden die Portale sehr eng gebaut.

Heidnische Erzählungen

Im Schnitzwerk der Kirchen kommt auch immer wieder die nordische Mythologie vor. So zeigt z. B. der Bischofsstuhl in Heddal eine Szene aus der Sage des Drachentöters Sigurd. Wesentliche Szenen dieser Sage findet sich ebenso im Schnitzwerk des ehemaligen Westportals der Stabkirche Hylestad aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die Stabkirche wurde im 19. Jahrhundert zerstört und das Portal findet sich heute in der Universitetets Oldsaksamling in Oslo. In Torpo fand sich am Fußboden eine Weltuntergangsdarstellung aus der Edda. Der Göttervater Odin kämpft gegen den freigekommenen Fenris-Wolf.

Grundriss einer Stabkirche – Borgundtyp:

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Legende
A: Schwebende Masten der inneren Säulenkonstruktion
B: Tragende Masten der inneren Säulenkonstruktion
C: Masten in der Außenwand
D: Holzrahmen der inneren Säulenkonstruktion
F: Querbalken im Fußboden
G: Flankierende Holzbänke
H: Westportal
J: Südportal
K: Chorportal
L: Chor
M: Apsis
N: Altar
O: Laubengang
P: Säulen des Laubengangs

Weltkulturerbe der UNESCO: Urnes Stavkirke.

Weltkulturerbe der UNESCO: Urnes Stavkirke.

Urnes Stavkirke vor dem Fjord

Urnes Stavkirke vor dem Fjord

Borgund Stavkirke

Borgund Stavkirke

Undredal Stavkirke

Undredal Stavkirke

 

Kreuz Altarraum Heddal Stabkirche

Kreuz Altarraum Heddal Stabkirche

Altar Heddal Stabkirche

Altar Heddal Stabkirche

Portalbereich Heddal Stavkirke

Portalbereich Heddal Stavkirke

Alte Wandgemälde, Hedda Stavkirke

Alte Wandgemälde, Hedda Stavkirke

Altar der Heddal Stavkirke

Altar der Heddal Stavkirke

Heddal Stavkirke: die grøsste und eine der schønsten!

Heddal Stavkirke: die grøsste und eine der schønsten!

Grabsteingestaltung auf Norwegisch

Grabsteingestaltung auf Norwegisch

So sehen norwegische Friedhøfe aus.

So sehen norwegische Friedhøfe aus.

Gegenstueck zur hølzernen Stabkirche - Steingedeckte Aussegnungshalle.

Gegenstueck zur hølzernen Stabkirche – Steingedeckte Aussegnungshalle.

Heddal Stavkirke vom Friedhof aus

Heddal Stavkirke vom Friedhof aus

Glockenturm der Heddal Stavkirke

Glockenturm der Heddal Stavkirke

Nochmal die Stabkirche: Wie ein umgedrehtes Vikinger-Schiff?

Nochmal die Stabkirche: Wie ein umgedrehtes Vikinger-Schiff?

PS: Falls ihr mal denkt, ich hätte mich verschrieben: Das ist (zu 99%) pure Absicht – die norwegische Schreibweise ist manchmal anders, und manche Artikel habe ich auf einer Norwegischen Tastatur geschrieben, die haben kein ä ö ü, daher benutze ich æ ø ue  🙂