„Was machst du eigentlich beruflich?“ – Patientenbericht aus der Zeitung

Liebe Leserinnen und Leser,

nach langer Zeit mal wieder ein Lebenszeichen von mir.

Achtung: In dem Artikel geht es um mein Arbeitsfeld und Blut. Wer das nicht verträgt sollte den Artikel lieber nicht lesen!
Ich werde immer mal wieder gefragt, was ich mache und wenn ich dann antworte Krankenpfleger kommen nachfragen was genau und so weiter. Sonst bin ich ja an die Schweigepflicht gebunden, aber da hier der Patient selber der Zeitung über seinen Unfall berichtet hat, kann ich das mal verwenden. Außerdem ist es ein toller Artikel über Nachbarschaftshilfe. Zu erst auf Norwegisch: (die deutsche Übersetzung folgt immer Anschluss in kursiv)
(an die Norwegisch Spezialisten: evtl. Übersetzungsfehler bitte ich zu verzeihen, ich übersetze es sinngemäß nicht wortwörtlich) 

(Erklärungen zu verschiedenen Punkten stehen in Klammern)

Kappet av tommelen – fikk uventet hjelp av naboene

Daumen abgeschnitten – bekam unerwartete Hilfe von den Nachbarn

Mens Stein Bakken lå på Rikshospitalet mobiliserte naboene til dugnad. – Det er helt rått, sier Bakken fra sykesenga i Oslo.
Als Stein Bakken (Name d. Patienten) im Rikshospital lag, organisierten seine Nachbarn eine „Dugnad“ (häufiger Norwegischer Brauch in Mehrfamilienhäusern, Wohnblöcken, Gemeinden, Firmen > gemeinsames Saubermachen, Frühjahrsputz, Renovieren, etc.) – Das ist total abgefahren, sagte Bakken vom Krankenbett in Oslo.

– Det er godt å bo på Kolvereid for å si det sånn, sier Stein Bakken fra sykesenga i Oslo.– Es ist gut in Kolvereid zu wohnen, das muss man mal so sagen!, sagte Stein Bakken vom Krankenbett in Oslo aus.FOTO: PRIVAT

Elisabeth Skarrud, Journalist, Malin Sveinsdotter Lystad, Journalist Publisert i dag, for 5 timer siden
Fredag kveld var Stein Bakken og kona i full gang med å male huset. Etter en stund tar Stein en pause fra malinga for å kløyve ved.
Freitag Abend war Stein Bakken und seine Frau damit beschäftigt das Haus zu streichen. Nach einiger Zeit hat Stein eine Pause vom Malen gemacht um Holz zu hacken. 
– Jeg sto og sagde ved med en vedmaskin. Jeg tok vel en sjans og da gikk tommelen av, sier Stein.
– Ich stand da und sägte Holz mit einer Tischkreissäge. Ich war wohl etwas zu unvorsichtig und da war der Daumen ab, sagte Stein.
Selv om han så at deler av tommelen var borte beholdt han fatningen.
Selbst als er sah, dass ein Teil des Daumens ab war, behielt er die Fassung.
– Jeg skjønte med en gang at dette ikke var dødsalvorlig så jeg var helt rolig. Jeg jobber i brannvesenet, så jeg har sett litt forskjellig.
– Ich wußte sofort, dass es nicht lebensgefährlich war, daher war ich ganz ruhig. Ich arbeite bei der Feuerwehr, da habe ich schon einiges gesehen.
Det var Namdalsavisa som først omtalte saken
Die „Namdalsavisa“ (Zeitung aus Namdal) schrieb als erste über die Sache.
– De trodde ikke på meg
– Sie glaubten mir nicht.
Da han oppdaget hva som hadde skjedd slo han av traktoren og gikk bort til kona som sto og snakket med to andre damer.
Als er merkte was passiert war, stellte er die Maschine ab und ging zu seiner Frau, die mit zwei anderen Damen redete.
– Jeg sa hun måtte ringe 113 fordi jeg hadde kuttet av tommelen. Men de trodde ikke på meg fordi jeg var så rolig.
– Ich sagte sie müssen 
die 113 (norwegischer Notruf) anrufen, weil ich mir den Daumen abgeschnitten habe. Aber sie glaubten mir nicht, weil ich so ruhig war.
Da han viste fram tommelen ble reaksjonen en annen.
Als ich ihnen den Daumen zeigte wurde die Reaktion eine andere.
– Jeg satt meg på trappa fordi jeg følte meg litt uvel, men det var ikke så smertefullt.
– Ich setzte mich auf die Treppe, da ich mich ein wenig unwohl fühlte, aber es war nicht sehr Schmerzhaft.
De ringte 113 og fikk spørsmål om de hadde funnet den avkappede delen av tommelen.
Sie riefen die 113 an und wurden gefragt ob der abgeschnittene Teil des Daumens gefunden wurde.
– Jeg tuslet tilbake og kikket under traktoren, og der lå den i flisdungen.
– Ich wankte zurück und sah unter den Traktor, und da lag er im Sägespäne-Haufen.
Tommelen er nå sydd på igjen.
Der Daumen ist wieder angenäht.FOTO: PRIVAT

Etter 15 minutter kom ambulansen. Stein fikk morfin og ambulansepersonellet tok bilder av tommelen. Etter hvert blir han flydd til Rikshospitalet hvor tommelen blir sydd på igjen.
Nach 15 Minuten kam der Krankenwagen. Stein bekam Morphin und die Sanitäter machten Bilder vom Daumen. Danach wurde er ins Rikshospital geflogen, wo der Daumen wieder angenäht wurde. (Anm.d.R.: Das Namdal liegt etwa 800 km nördlich von Oslo (200km nördlich Trondheim) am Atlantik. Die Patienten werden vom Unfallort mit dem Krankenwagen oder Hubschrauber (je nach Entfernung und Zeitaufwand) zum nächstgelegenen Flugplatz gebracht und dann mit einem Ambulanzjet nach Oslo geflogen und von dort mit dem Hubschrauber zum Rikshospital. Die Zeit zwischen der Amputation und dem Operationsbeginn sollte möglichst nicht über 6 Std. liegen, da sonst die Chancen, dass das amputierte Körperteil wieder anwächst deutlich sinken. Fast ganz Norwegen ist mit Rettungshubschraubern abgedeckt und an verschiedenen Stellen stehen die Ambulanzjets bereit. Dies ist notwendig, weil es zwar verschiedene Unikliniken im Land verteilt gibt, aber zum Beispiel zum Annähen von Fingern oder Händen die einzigen Ärzte die es können in Oslo sind. Es gibt einfach nicht genug Spezialisten die so etwas können.

34 naboer stilte opp – 34 Nachbarn traten an

Mens han og kona var på Rikshospitalet mobiliserte naboene til dugnad, for huset var langt fra ferdigmalt.
Während er und seine Frau im Rikshospital waren mobilisierten die Nachbarn eine Dugnad (siehe Erklärung oben), denn das Haus war lange davon entfernt, fertig gestrichen zu sein.
– Vi hadde sendt meldinger på Snapchat eller Facebook om at vi holdt på å male huset grått.
– Wir schickten ihm Bilder und Nachrichten über Snapchat und Facebook um ihm auf dem Laufenden zu halten, während wir sein Haus grau fertig malten. (Anm. d.R.: „Grau“ ist hier leider gerade eine Modefarbe für Häuser… 😉 )
Dette hadde blant annet Turid Finne fått med seg.
Das hatte unter anderem Turid Finne organisiert.
– Hun trommet sammen en gjeng på 34 personer som malte huset.
– Sie trommelte 34 Personen zusammen die das Haus fertig malten.
Stein blir tydelig rørt når han får spørsmål om hva han synes om naboenes innsats.
Stein war sehr gerührt, als er gefragt wurde, was er von dem Einsatz der Nachbarn hielt.
– Det er helt rått. Jeg har egentlig ikke ord på det.
– Das ist echt unglaublich. Ich wußte nicht was ich sagen soll.
– Det er godt å bo på Kolvereid for å si det sånn, legger han til.
– Es ist gut bei Kolvereid zu wohnen um es mal deutlich zu sagen, meinte er noch.
Han forlot et rødt hus, når han kommer tilbake er hele huset grått. Nå har han lagt en plan for hva han skal gjøre når han kommer hjem.
Er verließ ein rotes Haus (Anm.d.R.: Ich verstehe echt nicht wie man sich für Grau entscheiden kann… 😀 ), und wenn er zurück kommt ist das ganze Haus grau. Nun hat er sich überlegt, was er machen will, wenn er heimkommt.
– Jeg tror vi må ha en skikkelig hagefest.
– Ich glaube wir müssen ein schönes Gartenfest veranstalten.
Men det er ikke bare naboene Stein vil skryte av:
Aber es sind nicht nur die Nachbarn, die Stein rühmen will: 
– Det norske helsevesenet er helt fjell!
– Das norwegische Gesundheitswesen ist echt super!

 

Dem letzten Satz von Stein kann ich zwar nicht in allen Belangen zustimmen, aber auf jeden Fall in der Notfallversorgung. 

Was ist jetzt meine Aufgabe dabei: Die Patienten kommen nach der Operation zu uns auf Station. Wenn ein Finger/Hand/Arm wieder angenäht wurde ist eine kritische Phase von 8-10 Tagen zu überstehen. Während der Operation werden die Knochen, Venen und Arterien (Blutgefäße), Nerven, Sehnen und Muskeln und zum Schluss die Haut wieder zusammengenäht. Sehr wichtig ist dabei das gute funktionieren der Blutversorgung, damit das Gewebe nicht abstirbt. Das müssen wir hauptsächlich überprüfen. Dazu gehen wir 10 Tage lang JEDE Stunde zum Patienten, messen die Temperatur des Fingers, beobachten die Farbe des Fingers und die „Füllung“ mit Blut (drückt fest auf eine Stelle am Finger oder der Hand für ein paar Sekunden, lasst los: zuerst ist die Stelle gelblich (>blutarm) und wird (sollte zumindest) schnell wieder rosa bis rot werden – das ist die „Füllung“)
Im Idealfall ist die Temperatur über 33 °C, die Farbe rosa bis rot und die Füllung „normal“ (also innerhalb 1-2 sek wieder die gleiche Farbe). Fällt die Temperatur innerhalb einer Stunde um 1 ° C oder mehr, verändert sich die Farbe oder die Füllung funktioniert nicht wie sie soll, wird der diensthabende Arzt informiert, der dann entscheidet ob erneut operiert werden muss, ob einen weitere Operation nicht sinnvoll oder möglich ist, ob wir mit Heparin (Blutverdünnungsmittel) und „Fischmund“ (mit einem Skalpell wird ein Schlitz in die Fingerspitze geritzt, aus dem es idealerweise ständig leicht bluten sollte, das Heparin soll diese Wirkung verstärken) oder ob wir eine Blutegelbehandlung starten sollen. Bei der Blutegel Behandlung wird mit einer Nadel in den amputierten Finger gestochen und ein Blutegel an die Stelle gesetzt, dies soll dann 30-60 min saugen, dabei die Körpergröße ver- x- fachen und gibt währenddessen seinen Speichel in die Wunde ab, der die Durchblutung fördert. (Es ist gleichzeitig die Henkersmahlzeit, denn im Anschluss werden sie mittels kochendem Wasser getötet. Bis ein Blutegel, dass sich „satt“ gesaugt hat wieder hungrig wäre würden mehrere Monate vergehen, aus hygienischen Gründen, dürfen sie aber nur bei einem Patienten verwendet werden.)

Blutegelbehandlung

Blutegelbehandlung (bei einem ANDEREN Patienten!)

Mit den Blutegeln haben wir eine sehr gute Erfahrung gemacht. Hört der Finger auf zu bluten, wird das nächste Blutegel angesetzt. 
Erfolgsrate: Bei etwa 70% unserer Patienten wachsen die replantierten (=wieder angenähten) Körperteile wieder an. Bei den restlichen 30 % müssen sie leider amputiert werden, was an verschiedenen Gründen – Zeit zwischen der Amputation und Operation, anderen Erkrankungen wie Diabetes,… ; …. –  liegen kann.
Etwa 50-60% können sie danach auch wieder ganz oder teilweise benutzen und haben teilweise wieder Gefühl im Finger/Hand.

So, ich hoffe, das war ein bisschen interessant für euch.
Bis zum nächsten Artikel,

Euer Christian

 

Høstintrykk – Herbstimpressionen

Hier habe ich ein paar Impressionen vom Herbst in Oslo. Er war kurz und begann frueher als in Deutschland, aber besonders an sonnigen Tagen sehr Eindrucksvoll. Aber seht selbst:

Rundgang am Rikshospital...

Rundgang am Rikshospital…

... mit fantastischen ...

… mit fantastischen …

... Farben (am Hubschrauberlandeplatz) ...

… Farben (am Hubschrauberlandeplatz) …

... und zwischen Klinik und Zahnklinik ...

… und zwischen Klinik und Zahnklinik …

... ebenso beim Blick in die Ferne ...

… ebenso beim Blick in die Ferne …

... und bei den 3 Damen ...

… und bei den 3 Damen …

... und am Gaustad Sykehus, Heute eine Psychatrische Klinik.

… und am Gaustad Sykehus, Heute eine Psychatrische Klinik.

Rosenbluete im Oktober

Rosenbluete im Oktober

Spaziergang am Sonntag.

Spaziergang am Sonntag.

ein bisschen wie "Indian Summer"

ein bisschen wie „Indian Summer“

Herbstliche Beleuchtung

Herbstliche Beleuchtung

Hagebutten (oder so)

Hagebutten (oder so)

Keine Ahnung, wuchs wie Unkraut...

Keine Ahnung, wuchs wie Unkraut…

Ris-Kirke ueberragt alles.

Ris-Kirke ueberragt alles.

und...

und…

... noch ...

… noch …

...mehr ...

…mehr …

... fantastische ...

… fantastische …

... Farben!

… Farben!

Vollmond über Oslo

Der Juli-Vollmond hat mich zu einer kleinen Nachtwanderung inspiriert. Und mit dem Teleobjektiv meiner Panasonic Lumix FZ 200 bin ich sehr zufrieden. Aber seht selbst:

2 Tage vor Vollmond

2 Tage vor Vollmond

Vollmond über Oslo im Juli 2013

Vollmond über Oslo im Juli 2013

Detailaufnahme des Vollmondes: Die Krater sind sehr schön zu erkennen.

Detailaufnahme des Vollmondes: Die Krater sind sehr schön zu erkennen.

Rikshospital im Nachtdienst ca. um 1:00 Uhr Nachts am 20.Juli

Rikshospital im Nachtdienst ca. um 1:00 Uhr Nachts am 20.Juli

Mond in Pastellfarben

Kraterdetails

Kraterdetails

und noch mehr Mond.

und noch mehr Mond.

P1050008

Montebello T-Bane Stasjon bei Vollmond

Montebello T-Bane Stasjon bei Vollmond

Dæmmerungsbeginn gegen 2:30...

Dæmmerungsbeginn gegen 2:30…

... Mitte Juli ...

… Mitte Juli …

... ueber Oslo.

… ueber Oslo.

Blick nach Osten

Blick nach Osten

Dazu ergab sich die Möglichkeit für mich ein Phänomen der der Sommersonnwendzeit zu beobachten:

(Quelle: Wikipedia)

Leuchtende Nachtwolken (Abk. NLC von engl. noctilucent clouds) sind Ansammlungen von Eiskristallen oberhalb der Mesosphäre in der Mesopause. Dort wird das absolute Temperaturminimum der Erdatmosphäre erreicht. Sie erscheinen in einer Höhe von 81 bis 85 km – im Gegensatz zu den Wolkenformen der Troposphäre, die maximal eine Höhe von 13 km erreichen. Die meisten Sichtungen in Mitteleuropa gibt es von Anfang Juni bis Ende Juli (also in den Monaten um die Sommersonnenwende) in der Dämmerung Richtung Norden als leuchtende faserige Wolken und sind nicht mit den polaren Stratosphärenwolken zu verwechseln. Aufgrund ihrer großen Höhe können sie auch nach Sonnenuntergang von der schräg unter dem Horizont stehenden Sonne angestrahlt und damit zum „Leuchten“ gebracht werden. Sie werden sichtbar, wenn die Sonne zwischen 6° bis 16° unter dem Horizont steht. Das Licht der Sonne wird dann von den leuchtenden Nachtwolken noch reflektiert, während der Himmel sonst bereits fast dunkel ist. Ihre Färbung hängt vom Sonnenstand ab und kann von gelb bis silbrig-perlmuttartig reichen.

Leuchtende Nachtwolken ueber Oslo

Leuchtende Nachtwolken ueber Oslo

Ansatzweise habe ich sie zwar schon in Deutschland sehen können, aber hier sind sie noch deutlicher und häufiger zu sehen.

Und hier noch einige Eindrücke vom frühen Morgen (gegen 4:30 Uhr, Ausblick von meiner Station im Rikshospital).

Gegenüber vom Rikshospital sind alte Universitætsgebäude...

Gegenüber vom Rikshospital sind alte Universitætsgebäude…

Lichtspiele am Morgen

… die im ersten Sonnenlicht des Morgens erstrahlen.

Turm der Kirche auf dem Unigelände

Turm der Kirche auf dem Unigelände

Turm der Ris-Kirche (Nähe Rikshospital) nach der Nachtschicht

Turm der Ris-Kirche (Nähe Rikshospital) nach der Nachtschicht

Holmenkollenschanze ebenfalls nach der Arbeit in der Bereits hochstehenden Sonne

Holmenkollenschanze ebenfalls nach der Arbeit in der Bereits hochstehenden Sonne

Meine neue Arbeitsstelle – ein Erfahrungsbericht

re. unten ist die Mitarbeiterkantine

re. unten ist die Mitarbeiterkantine

Ich arbeite seit dem 3. Januar 2013 in Norwegens Hauptstadt Oslo als Krankenpfleger. Hier will ich nun ein bisschen über mein neues Arbeitsleben berichten.

Unterhalb des Turmes ist der Haupteingang.

Unterhalb des Turmes ist der Haupteingang.

Mein Arbeitgeber ist der „Oslo universitetssykehus HF (Helseforetaket)“ (sykehus=Krankenhaus; helse = Gesundheit, foretak = Unternehmen/Firma). Ich arbeite in der Klinikk for kirurgi og nevrofag, Ortopedisk avdeling, Seksjon for sengeposter Ortopedi, Ortopedisk voksenpost i Rikshospitalet. So, und nun nochmal langsam auf Deutsch: Klinik für Chirurgie und Neurofach, Orthopädische Abteilung, Sektion für Bettenstationen Orthopädie, Orthopädische Erwachsenenstation im Reichshospital. (das war wortwörtlich und hier die Kurzfassung: Orthopädische Bettenstation in der Chirurgie)

In Norwegen ist das Gesundheitswesen (helsevesen) staatlich organisiert und jeder ist in der staatlichen Krankenkasse, „Trygdeetaten“, (eine einzige = traumhaft) versichert. Eingeteilt ist das helsevesen in mehrere Bereiche und ich gehöre zum Bereich „Sør-Øst“ (Süd-Ost).

Wer in Norwegen krank wird, bekommt garantiert Behandlung. Allerdings funktioniert das System etwas anders als in Deutschland. Jeder Patient kann zu einem „Fastlege“ (sinngemäß „festgelegter Arzt“ und entspricht in etwa unserem Hausarzt) gehen und wird dort behandelt. Man zahlt einen Eigenanteil von ca. 200 – 250 € im Jahr und alles was darüber hinausgeht zahlt die Versicherung. Den „Fastlege“ kann bei Nichtgefallen 2x im Jahr wechseln. Der Fastlege ist der erste Ansprechpartner im Krankheitsfall und kann einen Patienten zum Facharzt überweisen. (Sonst muss man die Facharztbehandlung selbst zahlen.)

Die Krankenhäuser sind zum größten Teil staatlich und die Krankenhausbehandlungen sind kostenlos. Allerdings gibt es ein Wartelistensystem: Notfälle werden sofort behandelt, aber alle anderen Erkrankungen werden in eine Dringlichkeit eingestuft. Das kann bedeuten das man mit einer leichten, nicht gefährlichen Erkrankung auch schon mal ein halbes Jahr warten muss. Dafür kann man sich aber das Krankenhaus selbst aussuchen, bzw. den Spezialisten.

Es gibt auch ein Krankengeld was teilweise vom Arbeitgeber und nach 14 Tagen von der Versicherung gezahlt wird. Staatliche/Öffentliche Arbeitgeber zahlen sogar die Differenz zum normalen Gehalt weiter, so dass man keinen finanziellen Verlust hat.

Zahnarztbesuche muss man selbst zahlen was nicht gerade billig ist. Ebenso sind Brillen selbst zu zahlen.

Auf meiner Station gibt es 18 Betten für Patienten, davon sind 4 sogenannte „Intermediær“-Betten in einem Raum, dh. ausgestattet mit Überwachungsmonitor für Vitalwerte (Blutdruck, Puls, Sauerstoffgehalt im Blut, Temperatur). Zu uns kommen die „schwereren“ Fälle aus ganz Norwegen im Bereich, dh. Das Rikshospital ist auf komplizierte Op’s spezialisiert und wenn ein kleines Krankenhaus nicht weiter behandeln kann, kommen die Patienten nach Oslo (mit Auto, Taxi, Krankenwagen, Hubschrauber und Ambulanzflugzeug – Norwegen ist ca. 2500km lang):

  • Generell (=Allgemein Orthopädisch): infizierte Hüft- und Knieprothesen (also in einem anderen Krankenhaus eingesetzt und als Komplikation hat sich dann die Wunde und dadurch die Prothese mit einem Keim infiziert >> Folge: die

    Aktueller Blick aus dem Stationszimmer

    Aktueller Blick aus dem Stationszimmer

    Prothese muss in einer neuen OP durch eine andere ausgetauscht werden und die Patienten bekommen spezielle Antibiotika) und sonstige komplizierte Bein-Op’s.

  • Rygg (=Rückenchirurgie): Patienten mit Wirbelsäulenverletzungen bzw. -deformitäten aller Arten, (Skoliosen, Kyffosen, Wirbelbrüche, Wirbelsäulenversteifungen, Halo-Streck-Fixateur, …)
  • Hand: Verletzungen aller Arten an den Händen (abgeschnittene Finger, Feuerwerksverletzungen, komplizierte Handknochenbrüche, Karpaltunnelsyndrom, …)

Die Station ist in die Blå(Blau)- und Rød(Rot)-Gruppe aufgeteilt. Rot hat die GenerellPasjenter, (was das wohl heißt 😉 ) Blau die Hand-Pat. und die Rygg-Pat. werden aufgeteilt.

Der Dienst beginnt mit einer kurzen Übergabe der Gruppenleiter an die nächste Schicht, dann werden die Patienten in der Gruppe aufgeteilt und man liest sich noch selbstständig im PC durch die Berichte. Dabei und in der restlichen Schicht 🙂 wird Kaffee getrunken. Anschließend geht man durch die Zimmer und sagt kurz „Hallo“ und erkundigt sich wie es den Patienten geht. Frokost (=Frühstück) gibt’s um 8:15 h, Lunsj (=kleiner Mittagsimbiss) um ca. 12:15 h, Middag (=warme Mahlzeit) um 16:30/17:00 h und Kveldsmat (=kleines Abendessen) ca. 20:00 h. Zu verschiedenen Zeiten werden Medikamente und Infusionen (Antibiotika,…) verteilt (je nachdem ob sie der Patient 1, 2, 3 oder 4 x am Tag bekommt) und nach Bedarf auch Smertestiller und Sovemedikamenter (= Schmerzmittel und Schlafmittel).

Bettenmachen und Patienten beim Waschen helfen und Verbandswechsel findet am Vormittag statt und natürlich nach Bedarf. Gegen 8:45/9:00 h ist Visite mit den Ärzten. Dabei sind aber nur die Gruppenleiter und diese geben dann die Neuigkeiten (Änderungen bei Medikamenten, Blutproben, neue Untersuchungen, …) an die restliche Gruppe weiter.

Entlassungspatienten werden im Lauf des Vormittags fertig und gehen meistens gegen Mittag oder Nachmittag. Wer kann fährt/fliegt selbstständig heim oder lässt sich abholen. Für die aus dem weiteren Umkreis von Oslo (200-300km)

mit dem werden die Pat. heimgefahren, wenn sie fit genug sind.

mit dem werden die Pat. heimgefahren, wenn sie fit genug sind.

kommenden Patienten gibt es den „Helse-Ekspressen“(=Gesundheits-Express), ein Bus, der die Patienten an den großen Osloer Kliniken (ca. 5 an der Zahl) einsammelt und nach Hause bzw. fast nach Hause fährt. Und wer nicht selbstständig heimfahren kann wird mit Krankenwagen oder Flugzeug nach Hause oder Heimatnah verlegt.
Patienten die zu geplanten Op’s kommen können am Tag vorher anreisen (zu Untersuchungen, ect.) und im Patientenhotel übernachten, welches direkt nebenan liegt.

Geplante Op’s finden vormittags bis mittags statt. Die Patienten bleiben nach der Operation ein paar Stunden im Aufwachraum (=“Postoperativ“) und werden vom Spätdienst abgeholt (oder gehen auf Intensivstation für einige Tage) wenn sie fit genug sind.

Später in der Schicht fängt man an mit Berichte schreiben, kümmert sich weiter um seine 2-5 Patienten 😉 und erledigt anfallende Aufgaben.

Die Pausen macht man wenn man Zeit hat, meist 2 x pro Schicht.

Was für mich neu war:

  • Man stempelt hier nicht! Man kommt pünktlich oder überpünktlich, aber man geht wenn man mit der Übergabe fertig ist (meist etwas eher als die offizielle Zeit)
  • Natürlich das ganze Fachgebiet (ich war ja bisher in der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung =Øre-Nese-Hals-Avdeling)
  • das man viel Zeit hat, mit Patienten zu reden und ihnen was gutes zu tun.
  • Desinfektion: Es gibt natürlich die Händedesinfektion und auch Flächen oder Gegenstände werden desinfiziert, aber z.B. Wunden und Nähte werden meist nur mit Natriumchlorid (medizin. Salzwasserlösung) gereinigt und steril verbunden und die Patienten haben trotzdem seltener infizierte Wunden. Es werden auch mehr Einmal-Artikel verwendet.
  • Die Pflegekräfte dürfen hier mehr machen und entscheiden (Periphere Venenkanülen legen, Schmerzmittel geben, …)
  • Die Hierarchie (Pflegekräfte, Ärzte, Ober-, Chefärzte,..) ist nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Man sieht sich mehr als Team und arbeitet gut zusammen.
  • Der größte Vorteil des Norwegischen Arbeitslebens bzw. Gesundheitswesens: Man stresst sich in Norwegen nicht so rein (etwas salopp ausgedrückt) 🙂 . Es ist schon meistens was zu tun, aber man kommt aus der Schicht und ist in der Lage sofort etwas zu unternehmen; man braucht nicht ein bis zwei Stunden um wieder in geordneten Bahnen zu denken. So war es leider sehr häufig (mit zunehmender Tendenz) in Deutschland.

Seit dieser Woche kümmere ich mich auch schon alleine um Patienten und es klappt ganz gut. Ich habe zwar immer noch einige Verständnisprobleme, aber es wird jeden Tag besser. Sprechen kann ich schon ganz gut auf Norwegisch, aber wenn Patienten, KollegInnen oder Angehörige schnell und im Dialekt reden, dann muss ich meist nochmal nachfragen.

Das reicht nun für’s Erste. Anbei noch ein paar Fotos am und um meinen Arbeitsplatz (auf dem Luftbild ist mein Trakt zu sehen, und zwar im rechten Teil, der 2. Trakt von rechts hinten = der erste mit hellerem Dach – und dort in der 2.Etage; Genau gesagt links von dem Baum, die beiden Fenster zwei Stockwerke unterm Dach, die gerade noch sichtbar sind – das ist unser Stationszimmer; im Vordergrund ist der Ring 3 – an dem ich 3 km linkerhand entfernt wohne – zu sehen mit einer – nicht mehr vorhandenen Mautstation):

1: Stationszimmer2: Glasgang3: Ring 3 (alte Maut)4: Hubschrauberlandeplatz5: Vorplatz mit Haupteingang

1: Stationszimmer
2: Glasgang
3: Ring 3 (alte Maut)
4: Hubschrauberlandeplatz
5: Vorplatz mit Haupteingang

Schneefall Anfang Februar

Schneefall Anfang Februar

von einer der "Brücken" aus gesehen

von einer der „Brücken“ aus gesehen

der Glasgang zieht sich 280m durch das Gebäude und auf der li. Seite sind die Funktionsbereiche (OP, Polikliniken, Bettenzentrale, ...) und re. die Bettenstationen.

der Glasgang zieht sich 280m durch das Gebäude und auf der li. Seite sind die Funktionsbereiche (OP, Polikliniken, Bettenzentrale, …) und re. die Bettenstationen.

Schøn verschneiter Wald

Schøn verschneiter Wald